Interview über das KiSS-Syndrom mit Cyrus Marco Djahanbaz

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Interview über das KiSS-Syndrom mit Cyrus Marco Djahanbaz

Seit rund zwanzig Jahren wird das KiSS-Syndrom (Kopfgelenk-Induzierte Symmetrie Störung) in  Deutschland behandelt. Das Syndrom taucht bereits im Säuglingsalter auf, da es eine unmittelbare Folge der Geburt ist. Dennoch wird es nicht immer bei den regelmäßigen Kindesuntersuchungen festgestellt – meist dann, wenn die Symptome schlecht abzugrenzen sind von den üblichen Anpassungsschwierigkeiten, die jedes Baby nach der Geburt zeigt. Der Chiropraktor Cyrus Marco Djahanbaz (MSc) hat in seiner Praxis in Wedel bei Hamburg viel mit kleinen Patienten mit KiSS-Syndrom zu tun und beantwortet die Fragen des W.I.P. Magazins.

W.I.P. Magazin: Sie nennen Ihre Praxis ‚Familienpraxis’. Warum?

Djahanbaz: In meiner Ausbildung in der amerikanischen Chiropraktik habe ich von Anfang an den Bereich der Kinderbehandlung als einen großen Schwerpunkt definiert, damit ich tatsächlich in der Praxis auch die gesamte Familie betreuen kann.

W.I.P. Magazin: Der Begriff KiSS-Syndrom geistert schon lange in den Praxen und bei Eltern herum. Was genau ist denn das?

Djahanbaz: Es ist eine Fehlfunktion im Bewegungsapparat, insbesondere am oberen Wirbelsäulenpol. Oder kurz gesagt: es ist eine Verschiebung der obersten Wirbel der Halswirbelsäule. Sie entsteht durch die Geburt, meist durch eine schwierige Lage oder durch zu starkes Ziehen am Kopf des Kindes und ist von daher korrigierbar. Durch die Wirbelverschiebung werden Nerven und Gefäße, die im Bereich dieses Wirbels aus dem Rückenmarkskanal austreten, in ihrer Funktion gestört. Leider ist vielen nicht bekannt, wie stark die daraus resultierenden Entwicklungsstörungen das einzelne Kind beeinträchtigen.

W.I.P. Magazin: Woran erkenne ich, ob mein Kind unter diesem Syndrom leidet?

Djahanbaz: Säuglinge zeigen deutliche Entwicklungsverzögerungen. Sicherlich hat jedes Kind sein individuelles Entwicklungstempo, und nicht alle können ab einem bestimmten Alter stehen und laufen. Aber es gibt Zeitfenster, in denen jedes Kind diese Meilensteine in der Entwicklung können sollte. Wenn es das aber nicht kann – sondern erst wesentlich später – sollten Eltern aufmerksam werden. Die meisten Säuglinge reagieren mit Haltungsauffälligkeiten, liegen wie ein „C“ im Bettchen und schauen vermehrt in nur eine Richtung. Sie haben aufgrund der Schmerzen, die sie durch die Wirbelverschiebung haben, bereits eine Schonhaltung eingenommen. Sie schreien viel, haben auffällig seltener Stuhlgang, spucken oft, schlafen schlecht und zeigen eine deutliche Asymmetrie in der Schlafhaltung. Ältere Kinder zeigen Angst vor Höhe, klettern nicht gern und sind motorisch rückständig.

W.I.P. Magazin: Wenn Eltern den Verdacht haben, mit ihrem Kind stimmt was nicht – was sollen sie tun?

Djahanbaz: Der erste Weg führt immer zum Kinderarzt. Wenn der sensibilisiert ist für das KiSS-Syndrom, wird er weiter überweisen und dem Kind wird geholfen. Glücklicherweise sind mittlerweile eine Reihe unterschiedlicher Therapeuten in diesem Bereich aus- und fortgebildet. Ein Netzwerk zwischen den Kinderärzten, Chiropraktoren, Osteopathen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten wäre eine optimale Vision.

W.I.P. Magazin: Wie sieht solch eine Therapie bei einem Säugling oder Kleinkind aus?

Djahanbaz: Das Ziel der Therapie ist es den verschobenen Wirbel so sanft und so schnell wie möglich zu justieren. In zwei bis vier Sitzungen, die innerhalb von vier Wochen durchgeführt werden, wird der verschobene Wirbel sanft in die ursprüngliche Lage zurückgeschoben. Es handelt sich ja nur um wenige Millimeter – insofern muss gerade bei sehr kleinen Kindern äußerst vorsichtig gearbeitet werden. Nach den vier Sitzungen warten wir meist 3 bis 4 Wochen ab. Meist zeigt sich dann bereits, ob die Therapie angeschlagen hat. Die meisten Eltern berichten, von deutlichen Entwicklungsschritten der Kinder – sie hätten ein anderes Kind zu Hause: ruhiger, ausgeglichener, konzentrierter, sozial verträglicher…

W.I.P. Magazin: Nun gibt es sicherlich Kinder, bei denen das nicht im Säuglingsalter festgestellt und behoben wurde. Wie zeigt sich das KiSS-Syndrom bei älteren Kindern?

Djahanbaz: Die Kinder im Schulalter reagieren oft mit Wahrnehmungsstörungen auf diese Fehlstellung des Wirbels. Schließlich übt dieser einen permanenten mechanischen Druck auf die Nervenbahnen aus und beeinträchtigt dadurch die Reizweiterleitung zum Gehirn. Konzentrationsstörungen in verschiedenen Ausprägungen sind die logische Konsequenz. Für die Eltern ist es oft ein Aufatmen, wenn sie – statt die Diagnose ADHS mit nachfolgender Medikamententherapie zu bekommen  – Erleichterung und Hilfe durch eine manuelle Therapie erfahren. Es gibt übrigens auch genug Erwachsene, die mit einem KiSS-Syndrom belastet sind. Bei ihnen zeigt sich das häufig durch Sehstörungen, Schwindel, ein defizitäres Gleichgewicht, Tinnitus oder Hörsturz.

W.I.P. Magazin: Sie bieten am Kids-Day gemeinsam mit zwei Hamburger Kollegen einen kostenlosen Halswirbelsäulen-Check für Kinder bis 16 Jahre an. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?

Djahanbaz: In meiner Praxis habe ich schwerpunktmäßig mit Fehlstellungen des Bewegungsapparates zu tun. Ich weiß, wie sehr der Betroffene beeinträchtigt ist durch oftmals nur kleine Verschiebungen der Wirbel, wie stark die Schmerzen sind. Ich möchte, dass Eltern sensibilisiert werden für dieses Syndrom und bei diesem Check die Chance nutzen, ohne irgendwelche Verpflichtungen, ihr Kind, wenn es Auffälligkeiten zeigt, untersuchen zu lassen.

W.I.P. Magazin: Herr Djahanbaz, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Herr Robert Wieber vom W.I.P. Magazin.